Über das Qi in der chinesischen Medizin

Kurze Abhandlung über das Qi

Das Konzept des Qi ist einige Tausend Jahre alt wie die chinesische Medizin selbst. Ich möchte hier nur eine Erläuterung für ein besseres Verständnis geben ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Ursprünglich gestaltete sich das Schriftzeichen für Qi aus drei horizontal übereinander liegenden Strichen (wie auch das Schriftzeichen san = die Zahl drei), in der Bedeutung von „mists that rise to form the clouds“ (Zhang/Rose 2001: 3), also “Nebel, die aufsteigen, um Wolken zu formen”.

Die beiden Autoren Zhang und Rose sind demnach überzeugt, dass der Begriff Qi ätherischen Ursprungs ist. Sie sehen im griechischen „Pneuma“ ein ähnlich komplexes Konzept. Pneuma vereint wie Qi sowohl geistige und spirituelle als auch materielle Aspekte des Lebens, ohne die das Leben selbst nicht möglich wäre.

Das Schriftzeichen für Qi besteht aus zwei Teilen, „Dampf“ und „Reis“, was das Kochen von Reis impliziert. Das wiederum lässt an Gu-Qi („Nahrungs-Qi“) denken, welches die Essenzen der zugeführten Nahrung bzw. das Qi ist, das von Milz und Magen aus der Nahrung bzw. dem Getreide (gu = Getreide) extrahiert wird. Larre und de la Vallée (2002: 24) beschreiben das Schriftzeichen folgendermaßen:

„Der Samen eines Getreides, der unter der Wirkung des Kochens oder der Verdauung aufplatzt und so das Entweichen eines sich ausbreitenden Duftes erzeugt.“

Häufig wird der Terminus mit „Lebensenergie“ oder „Lebenskraft“ übersetzt, aber dieser Begriff erfasst nicht die Komplexität des Qi (wiewohl auch der westliche Energie-Begriff in seiner Bedeutung komplexer ist als es seine tägliche Anwendung vermuten lässt (Kubny 1995).

In seinen Grundlagen der chinesischen Medizin beschreibt Maciocia den Qi-Begriff folgendermaßen:

„a. Qi ist Energie, die sich gleichzeitig auf der physischen und auf der psychischen Ebene manifestiert.

b. Qi ist in einem konstanten Zustand des Flusses und in veränderlichen Zuständen der Aggregation. Wenn Qi kondensiert, wandelt sich Energie um und häuft sich als physische Form an.“ (Maciocia 1994: 41).

Qi verbindet den Geist mit der Materie, bzw. kann in das eine oder andere übergehen. Man könnte sagen, es handelt sich beim Phänomen Qi um den Mittler zwischen Geist und Materie, Seele und Körper, Gedanken und Körperzellen, eben weil es sich in allen Formen und „Nicht-Formen“ manifestieren kann.

Auf einen menschlichen Organismus bezogen ist Qi in seiner flüchtigsten Form ein Gefühl oder ein Gedanke (=Yang) und in seiner festesten Form in Knochen bzw. Zähnen manifestiert (=Yin).

Qi steht in enger Beziehung zum Blut, es bewegt das Blut in den Blutgefäßen, hält es in den Gefäßen und kann sich bei Bedarf in Blut umwandeln.

Maciocia formuliert dies prägnant: „Qi bringt Leben ins Blut; ohne Qi wäre das Blut eine träge Flüssigkeit.“ (Maciocia 1994: 53). In den Meridianen (Leitbahnen, auf denen die Akupunkturpunkte liegen) und den Gefäßen ist Qi eng mit dem Blut verbunden und erreicht so alle Organe. Im Gewebe ist Qi mit den Körper- und Zellflüssigkeiten verbunden und erreicht so Haut, Haare, Sehnen, Bänder und Muskeln.

Qi ist das, was uns lebendig macht und lebendig erhält. Krankheit entsteht, wenn der Qi-Fluss im Körper stagniert oder eine Qi-Leere vorherrscht.

Alle stofflichen und geistigen Formen und Erscheinungen befinden sich stets im Fluss, denn Qi fließt. Ist der Fluss von Qi unterbrochen, kommt es zu einer Störung auf körperlicher oder geistiger Ebene. Eine Stagnation des Qi führt zu körperlicher und/oder psychischer Krankheit. (Platsch 2000).

Kubny, Manfred (1995) Qi – Lebenskonzepte in China. Definition, Theorien und Grundlagen, Heidelberg: Haug

Larre, Claude; Rochat de la Vallée, Elisabeth (2002) Die Bewegungen des Herzens. Psychologie der Chinesen, München: Müller & Steinicke

Maciocia, Giovanni (1994, englische Erstausgabe 1989), Die Grundlagen der Chinesischen Medizin. Ein Lehrbuch für Akupunkteure und Arzneimitteltherapeuten. Kötzting: Verlag für ganzheitliche Medizin

Platsch, Klaus-Dieter (2000) Psychosomatik in der Chinesischen Medizin. Wenn Geist Essenz durchdringt, München: Urban & Fischer

Zhang, Yu Huan, & Rose, Ken (2001) A Brief History of Qi, Elsevier books

Maria Michalitsch

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